Kinder psychisch kranker und suchtkranker Eltern
Aktuell sind in Deutschland 3,8 Millionen Kinder in Deutschland mutmaßlich von einer psychischen Erkrankung ihrer Eltern betroffen. Ungefähr 2,65 Millionen dieser Kinder leben mit alkoholkranken Eltern zusammen. Nach Schätzungen leiden bereits jährlich 10.000 Neugeborene an den gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums ihrer Mütter während der Schwangerschaft. Bei jährlich 2000 bis 3000 Kindern äußert sich dies im Krankheitsbild des Fetalen-Alkohol-Syndroms (FAS). Insgesamt 40.000 bis 60.000 Kinder in Deutschland haben drogenabhängige Eltern.
Somit ist mindestens jedes sechste Kind von einer Suchtkrankheit in der eigenen Familie betroffen. Zugleich ist bekannt, dass die betroffenen Familien nicht durch die verfügbaren Hilfen erreicht werden – manchmal aus Unkenntnis, manchmal aus Angst vor den Konsequenzen und aus mangelndem Vertrauen in die Hilfesysteme. Expertinnen und Experten sehen zudem eine zehnfach schlechtere Versorgungslage psychisch erkrankter und suchtkranken Eltern im Vergleich zur übrigen Bevölkerung. Hilfe und Unterstützung kommen für psychisch oder suchtbelastete Familien häufig gar nicht oder viel zu spät.
Dadurch entstehen nicht nur akute Belastungs- und Gefährdungssituationen für Kinder, sondern auch langfristige, ernstzunehmende Entwicklungsrisiken. Etwa die Hälfte der Kinder und Jugendliche psychisch erkrankter Eltern werden selbst psychisch auffällig und sind einem bis zu zehnfach erhöhten Risiko ausgesetzt, im weiteren Heranwachsen selbst psychisch zu erkranken. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass lediglich ca. 30 Prozent der Kinder, die mit psychisch erkrankten oder suchtkranken Eltern aufwachsen, im weiteren Lebensverlauf gesund bleiben.
Eltern mit psychischen oder Suchtproblemen
Suchterkrankungen treten nicht nur bei Eltern selten isoliert auf. Es ist daher anzunehmen, dass der Großteil suchtkranker Eltern auch von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Häufig ist diesen Eltern sehr bewusst, dass sie selbst über ein Problem verfügen. Doch Studien zeigen, dass ihnen entweder die verfügbaren Hilfen nicht bekannt sind, oder sie vermeiden deren Annahme aus Angst vor den Konsequenzen. Zu groß ist die Sorge, dass ihnen die Erziehungsfähigkeit abgesprochen werden könnte und Prozesse ablaufen, auf die sie selbst keinen Einfluss mehr nehmen können. Sehr häufig meiden Eltern Behandlungen auch aus Angst, dadurch nicht mehr die elterliche Rolle ausüben zu können, z.B. im Falle eines Klinikaufenthalts. Bekannt ist auch: psychisch erkrankte oder suchtkranke Eltern wollen stets gute Eltern sein.
So kommt es, dass Eltern am ehesten ihre Kinder bei psychischen Auffälligkeiten und nach Rückmeldungen von Außen (z.B. der Schule) in Behandlung geben, sie selbst aber in hohem Maß unversorgt bleiben. Dies allerdings erfordert ein Wahrnehmen der Probleme der eigenen Kinder voraus, ebenso wie die Eigenmotivation, auch selbst Hilfe und Behandlung anzunehmen. Außerdem liegt die Schamgrenze häufig zu hoch, um angemessen mit den Kindern über die Probleme zu sprechen, die die Familiensituation belasten oder die Wahrnehmung der eigenen Elternrolle erschweren. Es zeigt sich, dass Eltern von abgestimmten, professionellen Netzwerken profitieren, mit deren Hilfe sie vertrauensvoll die Situation erörtern können, über Risiken und Möglichkeiten informiert und dadurch Ängste und Vorbehalte abgebaut werden.
Kinderschutz
Durch die deutsche Kinderschutzgesetzgebung (§8a/8b SGB VIII, §4 KGG) sind Fachkräfte in der Ausübung ihrer Tätigkeit dazu verpflichtet, bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes im Sinne des Kinderschutzes tätig zu werden und ggf. hierfür dem zuständigen Jugendamt erforderliche Daten zu übermitteln. Dazu gehört auch die vorherige Inanspruchnahme der Beratung durch eine Insoweit erfahrene Fachkraft (ISEF), die für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtend, für andere Fachkräfte optional möglich ist. Diese Verpflichtung im Sinne des Bundeskinderschutzgesetzes gilt auch für Berufsgeheimnisträgerinnen und -träger wie z.B. Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Erziehungsberaterinnen und -berater, Schwangerschaftsberaterinnen und -berater sowie Drogenberaterinnen und -berater u.a.
Unter nachfolgenden Links finden Sie entsprechende Kontaktstellen, die Sie zum Thema Kinderschutz beraten:
Kooperation als Schutzfaktor
Damit weder akute Gefährdungssituationen für Kinder entstehen, noch langfristig negative Folgen für ein gesundes Heranwachsen eintreten, benötigt es schützende Faktoren. Neben familiären Bedingungen (z.B. klare Kommunikation) und persönlichen Ressourcen (z.B. soziale Netzwerke) sind es vor allem außerfamiliäre Unterstützungsformen, die sich protektiv auswirken und Resilienz stärken. Dazu gehören professionelle Netzwerke, die ihr professionelles Handeln gut aufeinander abstimmen, Informationsdefizite beseitigen, Rollenkonflikte überwinden und aus mehreren Perspektiven heraus vorurteilsfrei Lösungen entwickeln. Entscheidend dabei ist ein vertrauensvoller, angstfreier Zugang der belasteten Familien zu solchen Netzwerken. Diese Erkenntnisse sind der Leitgedanke der Münchner Hilfenetzwerke.
Wie das geht, erfahren Sie in unserem Erklärfilm: